Es war einmal... Bärenstarke Liebe

  • 2 Mär 2023
  • Katrin Bamberg - Spinnradmärchen

(nach einem Märchen aus Graubünden)

Tief im Wald lebte ein armer Holzfäller mit seiner Frau. Er sammelte Holz und sie sammelte Beeren und Pilze. Einmal murmelte sie so vor sich hin: 

„Ach, wir hätten doch so gern Kind. Und wäre es auch noch so klein! Ja, selbst wenn es ein Bär wäre, so hätten wir es doch lieb.“ Als sie aufblickte stand eine alte Frau vor ihr, schaute ihr tief in die Augen und sprach: „Soso, dann will ich dir gern helfen.“ Sie reichte ihr ein grünes Fläschchen, die Frau trank das wohlschmeckende Getränk bis zum letzten Tropfen und gab der Alten die leere Flasche zurück. Im selben Augenblick war die Alte verschwunden, als sei sie nie dagewesen. 

Nicht ganz ein Jahr später brachte die Frau einen Knaben zur Welt, der hatte ein flauschiges Fell, brummte gemütlich vor sich hin, bekam Bärenkräfte, wurde groß und stark und sprach kein menschliches Wort: kurzum es war ein Bär – gutmütig, freundlich und liebenswert. Er half dem Vater beim Holz sammeln, er riss sogar Bäume aus. Später wurde dann das Holz auf dem Markt verkauft und der Bär trug das Holz den Leuten sogar nach Hause. Sie lieferten auch Holz auf das Königsschloss und eines Tages erblickte die Prinzessin den Bären. Schnell lief sie zum König und rief: „Vater, den Bären musst du für mich kaufen, den will ich unbedingt.“ Doch der Holzfäller und der Bär schüttelten die Köpfe. „Können wir ihn vielleicht ausleihen?“ Der Bär nickte. So ließ der Holzfäller seinen Sohn im Schloss und bekam dafür drei starke Männer, die ihm zur Hand gingen. Die Prinzessin war voller Freude, nahm den Bären mit in ihre Kammer, kraulte und zerzauste sein Fell und freundete sich mit ihm an. Am Abend wurde am Fußende des Himmelbettes ein Lager für den Bären eingerichtet. Dort schlief er in der ersten Nacht. Am folgenden Tag spielte sie mit dem Bären im ganzen Schloss, tollte mit ihm durch den Schlossgarten und sie verlangte, dass der Bär sich in der zweiten Nacht neben sie legte. Sie kuschelte sich an ihn und kraulte sein Fell. So schliefen sie beide ein. Doch mitten in der Nacht, erwachte die Prinzessin, da lag sie nicht in den Armen des Bären, sondern neben ihr lag ein junger, schöner Mann. „Wer bist du?“ – „Pst. Jetzt bin ich in meiner wahren Gestalt, doch das muss unser Geheimnis bleiben. Sonst muss ich fort von hier und werde nie ein Mensch sein.“

Die schöne Prinzessin mochte den jungen Mann noch viel lieber als den Bären. Sie lagen beieinander und flüsterten, bald umarmten sie sich vorsichtig. Doch Nacht für Nacht wurden sie vertrauter, sie kicherten und erzählten, sie erzählten und kicherten. Da lief des Nachts die Königin an der Kammer vorüber und hörte die Stimmen. Schnell öffnete sie die Tür und erschrak über das, was sie dort sah: „Kind, was tust du hier?“ – „Und was tust du hier, Mutter? Man öffnet doch nicht die Tür ohne anzuklopfen.“ – „Man liegt auch nicht einfach mit einem fremden Mann im Bett!“

Der Bär schlich mit gesenktem Kopf und dem Fell unter dem Arm aus der Kammer und verschwand. Als die Prinzessin begriff, dass er fort war, weinte sie bitterlich. Doch musste sie ihn suchen, darin bestand kein Zweifel. Ohne ihn konnte und wollte sie nicht leben und machte sich auf den Weg. Sie zählte nicht die Flüsse, die sie überquerte und auch nicht die Wälder, die sie durchschritt. Doch fand sie eine kleine Hütte, in der ein alter Einsiedler lebte und der wusste Rat: Du musst den Drachen fragen, der in jeder Vollmondnacht hier auf diese Waldlichtung kommt. Er weiß alles und kennt jedes Geheimnis. Bleibe bei mir, bis der Mond sich rundet. Wir wollen alles vorbereiten. Schon am nächsten Tag zeigte er ihr die Waldlichtung, er schrieb Worte auf ein Stück Rinde und gab es ihr. „Wenn der Drache erscheint, dann wirf ihm die Rinde hin. Bleibt er wütend und speit Feuer, so laufe weg so schnell du kannst. Schaut er aber freundlich, so streichle ihn sanft und stelle deine Frage.“

Da kam schon bald die Nacht, in der der volle Mond hell am Himmel stand. In seinem Licht stand der Drache groß und mächtig, spie Feuer und Rauch. Die Prinzessin trat nah heran und legte das Stück Rinde vor dem Drachen ab. Feuer und Rauch vergingen, der Drache schnupperte und besah sich das Rindenstück. Er schaute sie an und sein riesiges Maul begann zu lächeln. „Warum bist du gekommen?“ – „Ich suche meinen Bärenmann und hoffe, du kannst mir helfen, ihn zu finden.“ – „Das kann ich wohl. Du musst dort auf den Berge steigen und zur Felsenhöhle der Zauberin gehen. Tief in der Höhle hält sie deinen Bärenmann gefangen. Du musst es irgendwie schaffen, dass der Bär warmes Wasser zu trinken bekommt, dann kann er sich befreien. Wenn du bei ihr ankommst, bitte sie um Arbeit. Du wirst Schafe hüten müssen. Doch sobald du mit den Schafen auf der Wiese bist, werden sie davonlaufen. Sind sie weit genug entfernt, werden sie zu Hasen und rennen in alle Richtungen davon. Wenn du am Abend die Schafherde nicht abgeben kannst und auch nur ein Tier fehlt, dann wird es dir schlecht ergehen. Aber ich kann dir helfen: greife unter meine Zunge.“ Der Drache öffnete sein gewaltiges Maul. Die Prinzessin trat mutig an ihn heran und griff unter die Zunge. Dort holte sie etwas heraus - ein Instrument. Der Drache erklärte ihr: spielst du den hellen Ton, so verwandelst du Hasen in Schafe, spielst du den mittleren Ton, kommen alle Schafe zu dir. Bist du aber einmal in großer Not, dann spiele den tiefen Ton, ich werde dir zu kommen.“ Sie bedankte sich und lief mutig bergauf bis zur Felsenhöhle. Die Alte empfing sie: „Ah, ich habe dich schon kommen sehen. Willst du in meinen Dienst treten? Du kannst meine Schafe hüten. Aber bringe am Abend alle Schafe zurück.“ Das Mädchen führte die Schafe auf eine Weide, doch einen Augenblick später verwandelten sie sich in Hasen und rannten davon. Die Prinzessin blieb ganz ruhig und als sie am Abend die Herde zurückbringen wollte, spielte sie den hellen Ton, da wurden die Hasen zu Schafen. Beim Klang des Mittleren Tons, kamen sie zu ihr gelaufen und so brachte sie die Herde zur alten Frau. Diese zählte ihre Tiere und merkte, dass keins fehlte: „Ah, eine Hirtin, die ich ihre Arbeit gut macht!“ Die Alte gab dem Mädchen Essen und ein Nachtlager.

Am Morgen, noch bevor die Alte auf den Beinen war, kochte das Mädchen eine Morgensuppe und es roch so fein. Der Duft weckte die Alte und die freute sich. Das hatte sie noch nie erlebt. Nach dem Frühstück nahm die alte Zauberin eine Schüssel mit kaltem Wasser und stieg in den Keller hinab. Nach einiger Zeit kam sie wieder herauf. Die Prinzessin beobachtete alles, sagte aber kein Wort. Sie hütete tagsüber die Schafe und brachte sie am Abend zurück. So ging das Tag für Tag. Die Alte war zufrieden: jeden Morgen eine warme Suppe, die Schafe zählte sie gar nicht mehr. Nach einiger Zeit sprach die Prinzessin: „Großmütterchen, kann ich dir vielleicht noch eine Arbeit abnehmen? Du plagst dich immer mit der Schüssel voll Wasser und die Treppe ist so steil. Kann ich das für dich machen?“ – „Ach, da unten sitzt ein wildes Tier, es ist gefährlich. Es ist ein großer Bär.“ – „Ich werde vorsichtig sein.“, versprach die Prinzessin. So durfte sie am nächsten Morgen das kalte Wasser zum Bären bringen. Da sah sie am Felsgestein angekettet ihren Bärenmann. Als er sie erkannte, wollte er laut brüllen! Doch sie legte ihren Finger auf den Mund und machte: „Pst!“ Jeden Tag durfte sie fortan den Bären versorgen.

Am Morgen des dritten Tages kochte sie als erstes einen Topf Wasser, trug ihn heimlich in den Keller und dann kochte sie erst die Morgensuppe. Nach dem Frühstück brachte sie die Schüssel mit dem kalten Wasser in den Keller und gab von dem heißen Wasser aus dem Topf dazu. Das schob sie dem Bären hin und kaum hatte er davon getrunken, da erwachten gewaltige Kräfte in ihm. Er riss die Ketten entzwei und die beiden wollten sich schon in die Arme fallen. Da hörten sie Schritte oben auf der Treppe, die Alte kam und hielt ihren Zauberstab in der Hand. Der Bär verkroch sich ängstlich hinter der Prinzessin. Da war ihre Not so groß, dass die Prinzessin den tiefen Ton anschlug und sogleich hörte man ein Rauschen in der Luft. Der Drache landete vor der Höhle, steckte den Kopf herein und bekam die Zauberin am Rock zu fassen. Die Prinzessin entwand der Alten ihren Zauberstab und zerbrach ihn. Oh je, wie die Alte schrie und kreischte! Doch der Drache zog und zog. Er zog sie aus der Höhle, flog mit der zappelnden Zauberin im Maul immer Richtung Sonne, bis er zum weiten Meer kam. Dort ließ er sie er sie in die Tiefe fallen und die Wellen verschlangen die Zauberin. Genau in diesem Augenblick geschah etwas in der Zauberhöhle: Der Bär und die Prinzessin umarmten sich vor Freude, da fiel auf einmal das Bärenfell von ihm ab und vor ihr stand strahlend schön ihr bärenstarker Mann. Der hob sie hoch und sie drehten sich freudig im Kreis.

Der Drache kam zur Felsenhöhle zurück und nickte dem Paar freundlich zu: „Steigt auf meinen Rücken, ich bringe euch zurück ins Schloss.“ Sie überquerten die Ebene. Was sahen sie? Dort, wo die Schafherde immer gewesen war, tummelten sich Menschen, große und kleine, alte und junge. Auch sie mussten nicht mehr dem Willen der bösen Zauberin folgen. Sie waren frei, freuten sich und liefen nach Hause.

Der Drache landete im Schlosshof. Der ganze Hofstaat lief freudig herbei. Kaum war der bärenstarke Mann mit seiner Prinzessin vom Rücken des Drachens herabgestiegen, begann der Drache zu schrumpfen. Er wurde kleiner und kleiner. War bald nur noch so groß, wie ein Hündchen und schaute aus seinen lieben Augen die beiden an. Nur mit dem Bellen klappte es nicht. Es war mehr ein Fauchen. Da staunte der ganze Hofstaat und alle lachten herzlich. Ein Hochzeitsfest wurde gefeiert. Die Eltern des bärenstarken Burschen kamen auch zum Fest. Es wurde gegessen, getrunken, getanzt und gelacht. Sie lebten fortan glücklich bis an ihr Ende. Und wenn sie nicht …

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Freitag 10.03.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Montag 20.03.2023 19 Uhr Theater Karlsruhe Märchenabend

Samstag 01.04.2023 15 Uhr Obersasbach Märchen auf dem Festgelände

Sonntag 02.04.2023 15 Uhr Mösbach Kirschblütenzauber

Freitag 28.04.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Sonntag 30.04.2023 18 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Walpurgisnacht

Katrin Bamberg - Spinnradmärchen

Kommen Sie mit auf eine Reise ins Reich der Kobolde und Prinzen, in die Welt der Waschweiber und zornigen Riesen, an knisternde Indianerfeuer, in die Wälder der Drachen und ihrer Bezwinger. Hören Sie schon das Quietschen alter Türen oder das frohlockende Zirpen des Zaubervogels? Riechen Sie Zauberkräuter, die frische Brise an einem entlegenen See, den weihnachtlichen Duft nach Äpfeln und Zimt in gemütlichen Stuben? Ich entführe Sie in die Welt der Märchen. Die Fäden alter, längst vergessener Geschichten spinne ich neu, und bekannten Sagen und Erzählungen verleihe ich zu neuem, noch ganz unbekanntem Glanz. Das sich unablässig drehende Spinnrad spinnt einen schier nicht enden wollenden Geschichtenstrang. Märchen , Sagen , Geschichten erzählt man sich überall Ideale Orte und Gelegenheiten für Geschichten : Kindergärten Kliniken Geburtstage Schulen Altenheime Hochzeiten